Das Verhalten von Schimpansen erkennen: Lasst künstliche Intelligenz die Arbeit machen!
Um das Verhalten von Schimpansen auf unaufdringliche Weise zu studieren, hat ein Forschendenteam der Universität Neuenburg und des Idiap-Forschungsinstituts in Martigny sowie Mitglieder des NFS Evolving Language einen neuen, auf künstlicher Intelligenz (KI) basierenden Ansatz zur automatischen Analyse von Primatenvideos vorgeschlagen. Ein vielversprechender Schritt nach vorne für die Forschung und den Artenschutz, dessen erste Ergebnisse im International Journal of Computer Vision veröffentlicht worden sind.

Laufende Schimpansen. © Adrian Soldati.
Eine neue Datenbank
Das Training von KI-Systemen zur automatischen Identifizierung von Verhaltensweisen in Filmmaterial erfordert grosse Mengen an hochwertigen Daten. Im Falle des Verhaltens von Primaten sind nur wenige Datensätze mit Videos, die für diesen Zweck geeignet sind, öffentlich zugänglich. Und selbst wenn Daten zur Verfügung stehen, haben KI-Modelle oft Probleme, wenn sie auf Aufnahmen aus neuen Umgebungen treffen, die sich von denjenigen unterscheiden, mit denen sie trainiert wurden. So kann es zum Beispiel sein, dass ein KI-Modell, das auf Videos aus einem Zoo trainiert wurde, schlecht abschneiden, wenn es auf Videos aus freier Wildbahn getestet wird. „Um dieses Problem zu lösen, haben wir einen neuen öffentlichen Videodatensatz von Schimpansen erstellt, der im Zoo Basel gefilmt wurde und ChimpBehave heisst“, sagt Erstautor Michael Fuchs.
Der ChimpBehave-Datensatz umfasst 1362 Videosegmente von Schimpansen, die alle manuell von der Primatologin Emilie Genty kommentiert wurden. „Der Datensatz wurde nicht nur entwickelt, um der KI beizubringen, wichtige Verhaltensweisen von Schimpansen – wie Gehen, Klettern, Hängen oder Schwingen – in einer Zooumgebung zu erkennen, sondern auch, um zu testen, wie gut KI-Modelle bei Aufnahmen in afrikanischen Wäldern funktionieren, da diese mit bestehenden Datensätzen von Wildpopulationen kompatibel sind“, erklärt Fuchs.

Mit Anmerkungen versehene Segmente von Videos aus dem ChimpBehave-Datensatz. Der Algorithmus ist in der Lage, die Bewegung in eine Skelettansicht (anatomische Darstellung der Position der Gelenke) zu zerlegen und das Verhalten des Affen genau zu bestimmen. © Michael Fuchs und Emilie Genty.
Training der Algorithmen
Um ihre neue Datenbank auf die Probe zu stellen, nutzten die Forschenden ChimpBehave, um fünf verschiedene KI-Modelle zu trainieren: zwei auf der Grundlage der von den Forschenden aufgenommenen Videos und drei auf der Grundlage von Skelettbewegungen, d. h. einer anatomischen Darstellung der im Video stattfindenden Bewegung. Die videobasierten Modelle zeigten die grösste Genauigkeit beim Erlernen der Verhaltensweisen und bei der Übertragung dieses Wissens auf schwierigere und ungesehene Videos. „Interessanterweise fanden wir auch heraus, dass kleinere, skelettbasierte Modelle, obwohl sie etwas weniger genau sind, in ressourcenarmen Umgebungen, wie z. B. abgelegenen Feldstationen, wo Strom und Rechenleistung begrenzt sind, praktischer sein könnten“, so Fuchs. „Aus praktischer Sicht könnten sie eine ökologischere und damit nachhaltigere Lösung für gross angelegte Analysen im Feld bieten.“
Diese Arbeit ist ein Schritt in Richtung der Entwicklung von KI-Tools, die die ökologische, nicht-invasive und gross angelegte Überwachung gefährdeter Arten in freier Wildbahn unterstützen könnten. Langfristig könnten Werkzeuge wie ChimpBehave für die Sicherheit und Gesundheit vieler Wildtiere eingesetzt werden und Wissenschaftler*innen und Tierpfleger*innen helfen, schnellere und intelligentere Entscheidungen zu treffen – selbst in abgelegenen Wäldern, wo die Ressourcen begrenzt sind. „Indem wir diese Technologie und die Daten anderen zur Verfügung stellen, helfen wir auch der breiteren wissenschaftlichen Gemeinschaft und Naturschutzorganisationen, effektivere Instrumente zum Schutz der Wildtiere zu entwickeln“, schliesst der Forscher.