Erste Ergebnisse einer landesweiten Forschungsnitiative, welche die Geheimnisse der Sprache lüften will
Die Sprache ist eines der mächtigsten Werkzeuge, die der Mensch besitzt. Und doch ist bemerkenswert wenig über ihre Ursprünge und ihre Zukunft bekannt: Wie hat der Mensch seine Fähigkeit zur Sprache entwickelt, und wie wird sie auf neue Technologien reagieren? Nach vierjähriger Forschungsarbeit erweitert sich der Nationale Forschungsschwerpunkt (NFS) Evolving Language und nimmt die Universität Neuenburg als dritte Heiminstitution neben den Universitäten Zürich und Genf auf.
Vielversprechende Ergebnisse nach nur 4 Jahren
Vier Jahre nach seiner Gründung beweist der NFS “Evolving Language” den Erfolg seines mutigen Engagements, Forschende aus der ganzen Schweiz und aus verschiedenen Fachgebieten zusammenzubringen. “Die intellektuellen Überschneidungen zwischen den Disziplinen sind tatsächlich viel grösser, als man gedacht hätte. Wir interessieren uns für die gleichen Fragen, sprechen aber einfach nicht die gleiche Sprache“, sagt Klaus Zuberbühler, Professor an der Universität Neuenburg und Co-Direktor des NFS.
Ein Rätsel bis zum heutigen Tag
Die Sprache ist der Höhepunkt einer evolutionären Reise, die bis zu den Anfängen der Menschheit zurückreicht. Die Entstehung dieser einzigartigen menschlichen Eigenschaft ist wahrscheinlich auf eine Konvergenz vieler verschiedener Fähigkeiten zurückzuführen,welche vereinzelt auch bei anderen Tieren aufzufinden sind. Wie dies genau geschah, ist immer noch ein Rätsel. Gleichzeitig wird die Entwicklung der Sprache angesichts der neuen Technologien wie Künstliche Intelligenz und Neuro-Engineering immer ungewisser, was grosse Herausforderungen mit sich bringt. “Um diese Herausforderungen zu bewältigen, vereint der NFS eine noch nie dagewesene Bandbreite an Fachwissen aus den Natur-, Sozial- und Computerwissenschaften sowie aus den Geisteswissenschaften und der Medizin in einem gemeinsamen Rahmen der Evolutionären Sprachwissenschaft“, erklärt Balthasar Bickel, Professor an der Universität Zürich und Direktor des NFS.
Primatologen und Linguisten
Zur Veranschaulichung: Primatolog*innen haben sich mit Linguist*innen zusammengeschlossen, um zu zeigen, dass das Verstehen von Ereignissen (oder “wer tut was zu wem”) auf spezifischen kognitiven Prozessen beruht, die bei Menschenaffen, Kindern und Erwachsenen gleich sind. Ein solches Verständnis von Ereignissen ist ein grundlegender Baustein dafür, wie wir Sätze bilden. Psycholinguist*innen und Primatolog*innen haben die Ursprünge der an Kinder gerichteten Sprache beim Menschen entschlüsselt, ein zentrales Merkmal, das die Übermittlung von Sprache über Generationen hinweg ermöglicht. Ausserdem haben Neurowissenschaftler*innen und Mediziner*innen den Einsatz von bildgebenden Verfahren des Gehirns und der virtuellen Realität weiterentwickelt, um das Erlernen von Wörtern bei gesunden Teilnehmer*innen zu erleichtern. Dies könnte auch bei Schlaganfallpatient*innen Anwendung finden. “Ergebnisse wie diese eröffnen viele spannende Forschungsmöglichkeiten, sowohl in theoretischen als auch in angewandten Bereichen, und wir freuen uns darauf, diese in den nächsten Jahren zu erkunden“, sagt Daphné Bavelier, Professorin an der Universität Genf und Co-Direktorin des NFS.
Von Neurowissenschaft bis ChatGPT
Ab Juni nimmt der NFS Evolving Language die Universität Neuenburg als Heiminstitution auf und erweitert und vertieft damit seine Forschung in den Bereichen des Tierverhaltens und der Kognitionswissenschaften. Der NFS bringt auch neue Expertise in den Bereichen der Neurowissenschaften, der Genetik und der Anthropologie in sein Netzwerk ein, um das Phänomen des Sprachwandels zu erklären. “Der Mensch ist einzigartig darin, sein Kommunikationssystem ständig zu verändern und diese Veränderungen mit erstaunlichem Erfolg an die nächste Generation weiterzugeben. Wie ist dies möglich, und wie wird es durch künstliche Akteure wie chatGPT und neurotechnische Instrumente wie die Hirnstimulation beeinflusst?“, fragt Bickel.
49 Forschungsgruppen unter einem Schirm
Der NFS Evolving Language wird vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) zusammen mit den Universitäten Zürich (Leading House), Genf und Neuenburg (Co-Leading Houses) sowie von Partner*innen an der ETH Zürich, dem IDIAP Martigny und der Universität Freiburg finanziert. Die Vielfalt an Fachwissen, die der NFS Evolving Language vereint, um die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Sprache zu erforschen, ist weltweit einzigartig. “Dieser Reichtum spiegelt sich auch darin wider, dass es sich um den grössten NFS aller Zeiten handelt, in dem 49 Forschungsleiter*innen eng zusammenarbeiten“, unterstreicht Co-Direktor Bavelier.