Wenn Hunde und Menschen eine gemeinsame Sprache finden
Menschen und Hunde sind seit Jahrtausenden enge Gefährten. Aber wie können sich so weit voneinander entfernte Arten verstehen? Eine neue, in PLOS Biology veröffentlichte Studie von Forschenden der Universität Genf und dem Institut de l’Audition, einem Zentrum des Institut Pasteur, zeigt, dass sich die beiden auf halbem Weg treffen, um miteinander zu kommunizieren. Aufgrund ihrer Ergebnisse stellen die Forschenden die Hypothese auf, dass sich Hunde und Menschen aneinander angepasst haben, um miteinander zu kommunizieren. Ein Vergleich mit anderen Caniden, die nicht vom Menschen domestiziert wurden, wie z. B. Wölfe, würde aufzeigen, welche der sprachlichen Fähigkeiten des Hundes auf die Genetik und welche auf die Sozialisierung zurückzuführen sind.
Um über die Artengrenzen hinweg zu kommunizieren, passen sich Menschen und Hunde an. © 2024 iStockphoto
Einen einzigartigen Sprachrhythmus zu haben, ist für viele Arten vorteilhaft. So können vermieden Raubtiere werden oder Mitglieder der eigenen Art, einschließlich potenzieller Partner, erkannt werden… Aber manchmal kann es auch nützlich sein, sich an einen fremden Rhythmus anzupassen, um herauszufinden, was andere sagen, sei es um andere zu belauschen oder um zu kooperieren, wie Hunde und Menschen es zum Beispiel tun.
In dieser Studie haben die Forschenden die Anpassung von Hunden und Menschen untersucht, die eine artübergreifende Kommunikation ermöglicht.
Sprechen Sie “Hundish”?
Ändern Sie Ihre Stimme, wenn Sie mit Ihrem Hund sprechen? Das ist ein natürlicher und nützlicher Mechanismus! Eloïse Déaux, Forscherin für Tierverhalten und Neurowissenschaften an der Universität Genf, analysierte mit ihrem Team Hunderte von Vokalisationen von Hunden und Menschen. Ihren Ergebnissen zufolge haben Hunde eine langsamere Vokalisationsfrequenz als Menschen. Und wenn ein Mensch einen Hund anspricht, liegt der Sprachrhythmus auf halbem Weg zwischen den beiden Frequenzen. „Menschen verlangsamen ihre Sprache, wenn sie sich an ihre Haustiere wenden; das ist eine Modifikation, die sie näher an die für Hunde typische Sprechgeschwindigkeit bringt und so das Verständnis erleichtern könnte“, erklärt Eloïse Déaux.
Wie lässt sich also dieser Unterschied zwischen Mensch und Hund erklären? Für die Forscherin liegt die Antwort nicht nur in der Anatomie, sondern auch in den neuronalen Mechanismen, genauer gesagt in den neuronalen Oszillationen, also den elektrischen Mustern im Gehirn, die durch die synchrone Aktivierung von Neuronen entstehen.
Nicht auf der Gleichen Wellenlänge
Neuronale Oszillationen werden anhand ihrer Frequenz klassifiziert: Delta-Wellen haben eine Frequenz zwischen 0,5 und 4 Hertz (Hz), während Theta-Wellen eine Frequenz zwischen 4 und 7 Hz aufweisen. Ausserdem unterscheiden sich auch in ihren Auswirkungen auf kognitive Mechanismen. In der menschlichen Sprache zum Beispiel werden Gamma-Wellen mit der Kodierung von Phonemen (d.h. Sprachlauten), Theta-Wellen mit der Silbenbildung und Delta-Wellen mit der Intonation (auch Prosodie genannt) in Verbindung gebracht.
Und was ist mit anderen Tierarten? „Die Rolle der neuronalen Oszillationen bei der Sprachwahrnehmung wird erst seit relativ kurzer Zeit untersucht, selbst beim Menschen“, sagt Anne-Lise Giraud, Professorin für Neurowissenschaften an der Universität Genf und Direktorin des Institut de l’Audition, einem Zentrum des Institut Pasteur, das hinter dem Projekt steht. „Die Anwendung auf unsere vierbeinigen Gefährten ist also nicht unbedeutend“. Um die Gehirnströme von Hunden zu untersuchen, haben die Forschenden die Protokolle für nicht-invasive Elektroenzephalographie (EEG) angepasst. Dabei werden Teilnehmenden, sowohl Menschen als auch Hunde, auditiven Reizen ausgesetzt und die Gehirnaktivität als Reaktion darauf wird gemessen. „Wir untersuchen die Korrelation bzw. Ähnlichkeit zwischen dem akustischen Signal und den EEG-Oszillationen“, erklärt die Forscherin. Das Ergebnis: „Beim Menschen stimmen die Thetawellen, aus denen das EEG-Signal besteht, mit der akustischen Kurve überein, während es beim Hund die Deltawellen sind.“
Um zu beweisen, dass die vom EEG gemessenen Oszillationen die Wahrnehmung von Sprache im Hörsingal ermöglichen, stellten die Forschenden sicher, dass diese von den Teilnehmenden klar verstanden werden.
Vom Verhalten zum Verstehen
Beim Menschen können wir die Verständlichkeit eines akustischen Reizes leicht beurteilen: Die Person kann ihr Verständnis sowohl in mündlicher als auch in schriftlicher Form mitteilen. Bei Hunden ist das eine ganz andere Geschichte! „Wir haben eine an Hunde gerichtete Sprache verwendet, die aus Kommandos und nicht aus Lob besteht, so dass wir die Verständlichkeit der Stimuli für den Hund anhand der Ausführung der verschiedenen Kommandos objektiv messen konnten“, sagt Eloïse Déaux. Ein innovativer Ansatz, der Verhalten, Verständnis und Gehirnmechanismen zusammenbringt.
Mit diesem Ansatz können die Grenzen der Verständlichkeit von akustischen Signalen zwoischen Menschen und Hunden getestet werden: Die Forschenden modifizieren aufgenommene Sätze, indem sie ihr Tempo beschleunigen oder verlangsamen. Sie spielen auch Signale ohne Inhalt oder Prosodie ab. Eloïse Déaux beschreibt ihre Methode: „Um die inhaltslose Bedingung zu erhalten, kehren wir zum Beispiel die Aufnahme des Kommandos des Herrchens um. So wird ‘sit’ zu etwas wie ’tis’. Dann kehren wir die Prosodie wieder zurück, damit sie mit der des ursprünglichen Signals übereinstimmt“.
Nach den Erkenntnissen der Forschenden reagieren Hunde nicht auf Befehle mit einem zu schnellen Tempo. Sie sind also in der Lage, menschliche Sprache zu verarbeiten, allerdings nur, wenn diese im Delta-Bereich, zwischen 1 und 3 Hz, liegt. Darüber hinaus wirkt sich der Verlust von Inhalten auch auf das Verständnis von Hunden aus: Bei reiner Prosodie ist die Verständlichkeit von Befehlen geringer als unter normalen Bedingungen. „Unsere Studie räumt mit dem Mythos auf, dass Hunde nur auf unsere Intonation oder Prosodie reagieren. Der phonologische Inhalt ist wichtig, wenn sie verstehen sollen, was wir sagen, aber im Gegensatz zu uns sind die Silben nicht die Grundbausteine des Verständnisses“, berichtet die Forscherin.
Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass dasVerstehen und neuronale Oszillationen eng miteinander verbunden sind. Je mehr die Oszillationen – Theta bei Menschen und Delta bei Hunden – der Hülle des Signals folgen, desto besser ist das Verstehen.
Eine Ausnahme oder ein verbreitetes Phänomen?
Aufgrund ihrer Ergebnisse stellten die Forschenden die Hypothese auf, dass sich Hunde und Menschen aneinander angepasst haben, um miteinander zu kommunizieren. Aber ist dieses Verhalten nur auf die besondere Verbindung zwischen diesen beiden Arten zurückzuführen? „Es wäre interessant zu sehen, ob andere Tiere, mit denen Menschen interagieren (Kühe, Schafe, Ziegen, Schweine usw.) die gleiche Anpassungsfähigkeit entwickelt haben und ob Menschen ihre Sprechgeschwindigkeit ebenfalls reduzieren, wenn sie mit ihnen sprechen“, erklären die Forschenden.
Ein Vergleich mit anderen nicht domestizierten Hundeartigen, wie z.B. Wölfen, könnte Erkenntnisse darüber liefern, welche der sprachlichen Fähigkeiten von Hunden auf genetische Faktoren und welche auf die Sozialisierung zurückzuführen sind. Die Special Interest Group (SIG) Canid Cognition des NFS Evolving Language, initiiert von Klaus Zuberbühler (UniNE), Martin Meyer (UZH) und Anne-Lise Giraud (UNIGE), könnte in naher Zukunft mehr darüber aussagen. „Ein besseres Verständnis der zerebralen Mechanismen von Hunden wird es uns einerseits ermöglichen, Erkenntnisse über den Menschen und seine Evolution zu gewinnen, da dieses Tier evolutionär sehr weit von uns entfernt ist, andererseits aber auch helfen, die Trainingsmethoden für unsere vierbeinigen Freunde zu verbessern“, fasst Eloïse Déaux zusammen.